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Wenn wir einen Menschen lieben, dann wollen wir, dass es ihm gut geht. Wir möchten, dass dieser geliebte Mensch gesund ist. Er soll zufrieden und glücklich sein – ob das letztlich mit oder ohne uns ist, spielt eigentlich für die Liebe an sich keine so grosse Rolle. Schön wäre es natürlich trotzdem. Aber kein Muss, denn Liebe verschenkt sich vielmehr an die Menschen, als das sie sie in Besitz nimmt.

Sehnsucht

Wer kennt sie nicht? Die Sehnsucht nach dem ganz besonderen Menschen, den man liebt und umgekehrt. Unzählige Liebesgeschichten und Liebeslieder erzählen uns davon. Die Romantische Liebe. Die Menschen wollen sie. Und nicht nur das. Sie wollen auch noch heisse Leidenschaft und Erotik. Oder warum sind Bücher und deren Verfilmungen wie „Shades of Grey“ so erfolgreich? Hier geht es allerdings nicht um die eigentliche Liebe, sondern um Macht und Dominanz-Sucht auf der einen und vergeblicher Sehnsucht nach Liebe auf der anderen Seite.

Wie realistisch ist nun aber die ersehnte Liebes-Romanze, die vielleicht sogar ein ganzes Leben lang hält?

Die große Verwechslung

Wie ein Bekannter (danke Fabian!) von mir so richtig und treffend formulierte, ist Liebe eigentlich ein Seins-Zustand. Doch wir verwechseln allzu gern das Sein mit dem Haben (-wollen). Besitzergreifend und voller Machtspielchen sind deshalb viele unserer Beziehungen. Oft ist einer in der Partnerschaft der Dominante, der dem anderen (bewusst oder unbewusst) erklärt, wo es im (gemeinsamen) Leben lang geht. Der andere ist brav-gefügig und irgendwie auch abhängig (ob materiell oder emotional oder beides). Es ist ein Gefüge aus Macht und Ohnmacht. Oft besteht auch eine gegenseitige Abhängigkeit. Das Gefühl des Brauchens wird dann mit Liebe verwechselt. Möchten wir aber reife, langanhaltende Beziehungen, dann benötigen wir Begegnungen auf Augenhöhe. Keiner der Partner ist dann über- oder unterlegen. Beide lieben und wertschätzen einander gleichmässig. Und auch für die Sexualität innerhalb unserer Beziehungen ist es meiner Meinung nach wichtig, uns auf Augenhöhe zu begegnen. Nur so wird es möglich sein, die nährende und stärkende Kraft dieser vitalen Lebensenergie zu leben.

Liebe ohne Bedingungen

Wenn Liebe, wie oben angenommen, ein Seins-Zustand ist, dann ist sie einfach.  Und zwar ohne „wenn und aber“. Ich liebe dann an einer Person schlichtweg alles und nicht nur das, was mir nützlich ist. Liebe wählt nicht und bevorzugt bestimmte Eigenschaften einer Person als besonders gut und bewertet die anderen als schlecht. Liebe ist ganz und ungeteilt.

Gegenseitige Erwartungen und Ansprüche an den anderen lassen Liebe eher erkalten als aufblühen. Und selbst mit der rechtlichen Grundlage einer Eheschliessung (ob mit oder ohne zusätzlichen Ehe-Vertrag) gehört mir ein anderer Mensch nicht. Ich habe keinen Anspruch. Wahre Liebe lässt frei.

Natürlich macht uns das alles verletzlich, weil wir uns für die Liebe öffnen. Aber gleichzeitig bietet uns die Liebe wiederum Heilung unserer Ängste an. Probiere es einfach mal aus. Lass Liebe einfach sein, wo sie sein möchte, ohne ein Resultat zu erwarten. Es ist für mich wie ein inneres Aufatmen. Unglaubliche Leichtigkeit stellt sich ein. Besitzansprüche, Bedingungen und Erwartungen an den anderen lösen sich auf.

Lieben statt brauchen

Zwei sich liebende Menschen sind diejenigen, die auch allein und ohne den anderen sein könnten. Sie brauchen den anderen nicht. Aber sie möchten nicht ohne ihn sein. Vielleicht fängt sogar tiefe Liebe erst dort an, wo das „brauchen“ aufhört.

Brauchen tun wir nur etwas oder jemanden, wenn in uns ein Mangel ist. Eine Leere, ein Vakuum. Die Ursache des Gefühls von Mangel kann weit zurück liegen. Oft sind es Erfahrungen, die wir in der Kindheit gemacht haben. Vielleicht mangelte es uns an echtem Interesse anderer an unserer Person oder wir haben einen Verlust erfahren, weil ein Elternteil oder beide nicht wirklich präsent waren oder jemand tatsächlich real gegangen ist. Da sich Leere aber für die meisten nicht gut anfühlt, wollen wir sie füllen. Da muss ein anderer her, der/die diese Leere füllt! Das hat jedoch selten etwas mit Liebe zu tun.

Wir sind vielleicht nicht bereit oder fähig, diese Leere selbst auszufüllen und uns selbst die Liebe zu geben, nach der wir uns sehnen. Wir brauchen also einen Partner und wenn der uns nicht auffüllt, dann essen wir übermässig, trinken masslos Alkohol oder sind kaufsüchtig. Jedes suchtartige Verhalten dient letztlich dazu etwas zu füllen, wonach wir sehnlichst suchen. Kurzfristig stopfen wir damit die inneren Löcher. Mittel- bis langfristig jedoch bleiben wir leer und unerfüllt.

Noch immer rümpfen Leute die Nase, wenn man von Selbstliebe und Selbstfürsorge spricht. Sie schimpfen es egoistisch oder im besten Fall esoterisch-seltsam, aber ich möchte behaupten, dass mit der Liebe zu uns selbst und unserem Leben alles steht und fällt, was uns betrifft. Wie könnte es denn auch anders sein? Unser Leben sind wir. Nicht zuletzt heisst es auch in der Bibel: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Wir dürfen nicht länger vor uns selbst davon laufen und meinen, eine andere Person würde unser Leben schon wieder gerade biegen. Wenn wir auf der Flucht vor uns selbst leben und uns nicht unseren Gefühlen und Emotionen stellen wollen, wie können wir dann erwarten, Liebe leben zu können? Wir sind dann zutiefst unfrei. Unsere Identität ist in Frage gestellt, wenn wir nicht zu uns selbst stehen. Und wie können wir dann eine echte Partnerschaft eingehen?

Freisein statt Symbiose

Wenn man einen Fluss begradigt und ihm damit sagt, in welche Richtung er zu fliessen hat, ist eine nicht seltene Konsequenz daraus, dass es in stürmischen Zeiten Hochwasser und Überschwemmungen gibt. Wieso sollte das bei Zwischenmenschlichen Beziehungen anders sein?

Wenn ich von meinem Partner erwarte, dass er genau meiner Fliessrichtung folgt, dann verliert er zwangsläufig den eigenen Weg. Vielleicht bemühen sich sogar beide in einer Beziehung angestrengt, ihre natürliche Fliessrichtung aufzugeben, um „näher“ beim anderen zu sein. Doch wie kann man einander nah sein, wenn man sich im schwammigen Nichts zweier geschwächter Identitäten befindet?

Eine Liebesbeziehung, insbesondere wenn sie schon länger besteht, sollte deshalb von grossem Freiraum begleitet sein. Denn wenn wir immer mehr einschränken, was uns jeweils in unserer Persönlichkeit ausmacht, bleibt irgendwann nichts mehr von uns übrig. Die Frage nach der eigenen Identität ist dann berechtigt. Und was habe ich zu geben, wenn ich diese aufgebe?

Erotik ist ein Tanz zwischen Nähe und Distanz. Wenn wir zu nah beieinander sind (symbiotisch), stört dies zwangsläufig auch die Erotik und das sexuelle Erleben. Vertrautheit ohne Gefühl der Selbstverständlichkeit und eine gewisse Fremdheit auf der anderen Seite machen die körperliche Liebe erst aufregend.

Liebe (ver)teilen

Ich möchte Liebe einfach sein lassen, dort wo sie ist, wo und wie sie sich ausdrücken möchte. Ein Lächeln, eine Umarmung, Zärtlichkeiten ohne den anderen haben zu wollen und ihn mit meinem Anspruch: „du bist dafür zuständig, dass ich glücklich bin – und wenn nicht, bist du daran schuld und hast versagt“ zu ersticken.

Liebe verschenkt sich frei und ungebunden. Immer und immer wieder. Sie ist Quelle inneren Reichtums. Ich kann sie verteilen ohne dabei ärmer zu werden, sondern immer reicher und reicher. Nur wenn ich heimlich oder offensichtlich etwas zurück verlange, werde ich ärmer.

Liebe verdoppeln

Liebe und Zuneigung sind tiefe Gefühle des Friedens. Ein Frieden, den man gerade in unbehaglichen Zeiten braucht und pflegen sollte. Wenn jeder gut für sich selbst sorgt und sich selbst anzunehmen und zu lieben beginnt, dann können sich Menschen in Beziehungen gegenseitig nähren, unterstützen und auch wirklich lieben und wertschätzen. Glück und Liebe verdoppeln sich dann.

Meist ist es jedoch so, dass wir uns ganz nach dem Motto „gemeinsam ist man weniger einsam“,  in einer Partnerschaft von uns selbst ablenken. Wir kümmern und sorgen uns dann um andere, denn um uns. Doch dabei ist die wichtigste Beziehung im Leben, die es als Erstes zu klären und zu stärken gilt, die Beziehung zu uns selbst. Wenn wir diese pflegen, haben wir so viel mehr zu geben. Erst dann, wenn die Brücke zum Ich gebaut ist, kann ich den Brückenbau zum Du beginnen. Anstatt leere Liebes-Akkus notmässig bei anderen aufzuladen, können wir dann anderen Menschen unser volles Liebeskonto anbieten.

Liebe also hundertprozentig und mach keinen falschen Deal daraus. Liebe ist. So einfach.

Scarlett Krause

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