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Zu einem hundertprozentigen Leben gehören auch Schattenseiten. Wir erleben Enttäuschungen, Rückschläge, machen uns Sorgen um andere oder um uns selbst. Wir leiden, weinen, trauern. Oder sind wütend auf alles und das Leben an sich. Manche Situationen machen uns Angst. Träume zerplatzen. Geliebte Menschen erkranken oder sterben. Und auch wir werden sterben – eines Tages. Vielleicht haben wir tief in uns drinnen auch davor Angst.

Wie können wir nun angemessen mit all dem umgehen? Und so unser Leben wirklich hundertprozentig leben? Natürlich habe ich kein Allheilmittel gegen das Leid, sondern nur Impressionen und Gedanken des eigenen Erlebens, die aber dennoch vielleicht für den einen oder anderen hilfreich sein können.

 Meine Erfahrungen

Mein bisheriges Leben ist von einigen der oben genannten Schattenseiten begleitet worden. Im Nachhinein möchte ich sie nicht unbedingt missen, denn sie enthalten eine Vielzahl von Wachstumschancen. Aber sie beinhalten auch immer während sie geschehen viel Schmerz und Leid, Wut und Trauer, die angemessen gewürdigt werden sollten.

Lange Zeit bestand bei mir beispielsweise das Bestreben, unerfüllte Wünsche mögen sich doch noch irgendwie erfüllen. Acht wertvolle Jahre war mein Leben dadurch eingeschränkt, weil ich mich auf diesen einen Wunsch versteifte. Ich konnte das Gute in meinem Leben nicht wirklich sehen und spüren, weil ich im Wesentlichen den Mangel sah – meinen Wunsch, der sich nicht erfüllte. Aber bei so manchem Wunsch ist das Loslassen das einzig Richtige, damit das Leben wieder gelingt.

Ich erlebte das Aufgeben von (Lebens)Träumen und die Loslösung von schmerzhaften Erfahrungen immer als eine Art innere Häutung. Mag der Prozess an sich schmerzhaft sein, geht man dennoch hinterher als neuer Mensch nach dieser Zeit hervor. Andererseits muss man auch erst einmal durch den Prozess der Häutung hindurch, der sich manchmal ganz schön hinzuziehen scheint.

Verlust erfahren

Verlust zu erfahren oder sich ihn auch nur in Gedanken vorzustellen, ist für mich eine der mächtigsten Energien, die es gibt. Stellen wir uns vor, eine Mutter verliert ihr geliebtes Kind oder ein Kind seine geliebte Mutter. Gibt es einen größeren Schmerz, den wir erfahren können?

Psychologen meinen nein! Es scheint für mich eindeutig, dass der grösste Verlust, den ein Mensch erleben kann der ist, seine Mutter/seine Eltern (zu) früh zu verlieren oder wenn das eigene Kind vor einem selbst stirbt.

Oder stellen wir uns vor, wie wir sterben werden. Auch wir werden dann unser Leben verlieren, aufgeben und loslassen müssen. Dies ist sicherlich die grösste Aufgabe, das grösste Aufgeben im Leben.

Fest steht: objektiv messen lässt sich seelischer oder emotionaler Schmerz nicht. Er will aber immer gewürdigt werden, egal wodurch er ausgelöst wurde, egal was wir verloren haben oder loslassen mussten.

Aber was genau meint hier Verlust? Verlust meint, dass wir etwas oder jemanden gehen lassen (müssen). Das können auch nicht erfüllte Vorstellungen vom eigenen Leben sein. Wir müssen gegebene Tatsachen akzeptieren, zum Beispiel, dass wir unseren Job verlieren, dass unser Lebenspartner uns verlässt, ein geliebter Mensch stirbt, dass eine schöne Lebensphase zu Ende geht oder die Zeit der Hoffnung auf etwas Bestimmtes vorbei ist.

Und trotzdem: Wenn ein geliebter Mensch für immer geht, haben wir dennoch Sehnsucht nach ihm. Wieso nur verlässt uns unser Partner, mit dem wir so vieles geteilt haben? Warum erfüllt sich unser Herzenswunsch nicht? Wir haben so viele Fragen! Und manchmal bleiben sie unbeantwortet. Wir müssen die Situation erstmal so akzeptieren, wie sie ist.

Lebe deinen Traum. Geht das immer?

Es heisst ganz berühmt: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.“ So ist die allgemeine und auch durchaus gute Empfehlung. Aber manchmal geht gerade das nicht, so sehr man sich bemüht und sich für die Verwirklichung seiner Träume eingesetzt hat. Wenn alles Menschenmögliche unternommen wurde und wir nicht das erreichen, was wir uns so sehr wünschen, müssen wir Träume ziehen lassen, damit das Leben irgendwie weitergehen kann.

Diese Situation kann von uns alle Kraft fordern, die wir haben. Dennoch ist es wichtig, all den Schmerz, das Leid, die Wut und die Enttäuschung bewusst zu spüren und diese Gefühle anzuerkennen. Es hilft kein Schönreden oder Verdrängen. Beides sind nur Strategien des Aufschubs. Früher oder später müssen wir uns mit unseren Gefühlen konfrontieren, wollen wir daran nicht zerbrechen oder erkranken. Nur wenn wir (noch mal) hinein fühlen, können wir irgendwann Abschied nehmen. Und Loslassen.

Wir verlieren bewusst und freiwillig, indem wir auf die Erfüllung unserer vergeblichen Wünsche und Träume verzichten, um des Friedens, der Freiheit oder der Liebe wegen. Wir lösen uns langsam von Schmerz und Leid. Es ist ein Opfer. Aber auch durch Segnungen begleitet. Wir können daran wachsen und emotional stark (resilient) werden. Ich persönlich durfte durch Verzicht und Loslassen meiner Wünsche die Liebe und Gnade Gottes mehr denn je und immer wieder spüren.

Ballast von früher

Manchmal halten wir schon sehr lange, vielleicht sogar seit der Kindheit an Erinnerungen schmerzhafter Erfahrungen fest. Unser Leben im Hier und Jetzt kann aber erst richtig gut werden, wenn wir uns davon Stück um Stück befreien. Negative Glaubenssätze, die uns irgendwann einmal bewusst oder unbewusst eingeredet wurden, stimmen einfach nicht.

Wenn unsere Eltern beispielsweise immer einen sehr hohen Anspruch an uns hatten, können wir eventuell denken, wir seien nie gut genug. Oder wenn wir emotional nicht gut versorgt wurden, meinen wir vielleicht, das Gute im Leben nicht wirklich verdient zu haben. Aber all das stimmt nicht! Wir sind IMMER gut genug und wir haben IMMER alles Gute wie Liebe, Glück und Gesundheit verdient. Lassen wir diese negativen Überzeugungen, die uns so viel Energien kosten, endlich los!

Träume aufgeben, um zu leben

Wenn wir einen Traum oder einen Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen kann, als solchen erfahren, können wir uns nach ausreichendem Abschied-nehmen von unserem Wunsch für das Leben und gegen die Qual entscheiden. Weiter an dem festzuhalten, was keinen Sinn (mehr) macht ist sinn-los. Und es erschöpft unsere Lebenskraft endgültig.

Angst

Wenn wir (früh) einen schweren Verlust erfahren haben, kann es sein, dass uns diese Angst im Leben weiter begleitet. Auch wenn Lebensträume zerplatzen, kann sich die anschliessende Leere im Leben angstvoll anfühlen. Wenn wir aber die Angst in uns ganz bewusst erkennen, können wir damit beginnen, diese Angst transformieren zu lernen.

Angst ist meines Erachtens immer die Abwesenheit von Liebe. Wenn wir Angst empfinden, sind wir nicht in der Liebe und nicht im Vertrauen. Es klingt fast zu simpel! Aber jeder, der einen Blick in unsere Welt da draussen wagt weiss, wie schwierig es ist, in Vertrauen und Liebe zu leben.

Dennoch gilt: Um die Angst zu verstehen und letztlich hinter uns zu lassen, müssen wir durch sie hindurch. Wir müssen uns dieser Energie bewusst werden, sie vollständig annehmen und sie durchleben. Nur so haben wir die Möglichkeit, durch die Hingabe an das Leben loszulassen, was so schmerzhaft ist. In der Hingabe haben wir die Chance zu erkennen, dass Angst und Verlust uns zwar zuweilen verzweifeln lassen, aber nicht das Ende von allem bedeuten müssen.

Vielleicht fühlen wir uns abgetrennt und einsam. Solange wir die Angst und den Schmerz in uns tragen, sind wir nicht vollkommen im Vertrauen und in der Liebe. Und dies meine ich ganz bestimmt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, kenne ich die Angst und den Schmerz doch selbst auch genügend. Es ist aber eine Art Wegweiser, der uns zurück auf den Pfad der Vergebung, der Versöhnung, der Liebe, des Verzeihens, Vertrauens und des Neubeginns bringen kann.

Alles darf sein

Wenn du in einer schmerzvollen Situation bist, voller Verlusterlebnisse, werde dir dessen ganz bewusst. Alles darf sein. Umarme dich gedanklich selbst in diesem Schmerz. Damit meine ich kein Selbstbedauern. Spüre im Schmerz das Vorhandensein von Liebe. Es ist kein „Entweder-oder“, sondern ein „sowohl-als-auch“ bei dem du langsam erkennst, dass die Liebe dich immer trägt und da ist. Letztlich siegt sie über den Schmerz.

Natürlich ersetzt dies alles bei schwerem Leid, bei Depression und Burn-Out nicht eine eventuell notwendige ärztliche oder therapeutische Behandlung! Lass dir gegebenenfalls professionell helfen. Das ist auch Ausdruck einer guten Selbstfürsorge. Nimm dich und deine Gefühle wichtig.

Yoga als mögliche Hilfe

Mir persönlich hat Yoga immer und uneingeschränkt geholfen, Gefühle in mir erstens besser wahrzunehmen und zweitens, sie dann auch zu gegebener Zeit loszulassen. Hier sind besonders die zahlreichen Wahrnehmungsübungen und die Entspannungstechniken sehr hilfreich. Bei angstvollen Gefühlen kann es auch unterstützend sein, verschiedene Übungen des Yoga zu erlernen. Wenn du magst, lies hierzu auch meinen Artikel „Yoga der Veränderung“.

Die so genannte End-Entspannung, im Yoga auch als Savasana (die Totenstellung) bezeichnet, lehrt dich idealerweise alles, was du wirklich brauchst, um alles hinter dir zu lassen und loszulassen. Sie gilt im Übrigen unter einigen Yoga-Lehrenden als die am schwierigsten zu meisternde Haltung.

Schmerz (weg)atmen

Manchmal äussern sich seelische Schmerzen durch körperliche Beschwerden. Man spricht dann von Somatisieren. Ein ganzer Fachbereich der Medizin befasst sich damit: die Psychosomatik. Doch nur weil etwas als psychosomatisch bezeichnet wird, heisst das noch lange nicht, es sei dadurch banal und nicht erachtenswert. Im Gegenteil. Es zeigt uns, wie eng Körper und Seele miteinander korrespondieren. Der Schmerz ist der Ruf unserer Seele, gehört zu werden.

Lerne deine Schmerzen/Beschwerden kennen. Schau, ob du Zusammenhänge zwischen dem, was du erlebst/erlebt hast und deinen Beschwerden sehen kannst. Dies muss nicht immer der Fall sein. Wenn es aber so ist, hast du mit der bewussten Wahrnehmung ein kraftvolles Werkzeug zur Besserung deiner Beschwerden in der Hand. Insbesondere das bewusste und tiefe Atmen kann helfen, bei Schmerzen loszulassen und doch etwas Entspannung zu finden.

Das Finden

Nach dem Loslassen entsteht erst einmal Leere. Sie ist meiner Erfahrung nach meist nüchtern-neutral, wenn der Schmerz beim Verlust-Prozess oder beim Loslassen gut aufgearbeitet wurde. In dieser Leere liegt eine grosse Chance, die jeder, der diesen schmerzvollen Weg vollzogen hat, nutzen möge. Hierin besteht die Chance, noch einmal von vorn anzufangen. Erlaube dir in der Leere neu zu träumen unter anderen Vorzeichen.

Wenn wir den Verlust und das Loslassen letztlich als Katharsis (als innere Reinigung) durchlebt haben, können wir geklärter in eine neue Gegenwart und Zukunft schauen. Uns neu ausrichten und neu definieren. Hierbei kann ein guter Coach hilfreich sein, der behutsam und achtsam die richtigen Fragen stellt, damit man herauszufinden kann, wie der neue Weg aussehen könnte. Auch Yoga kann unterstützend sein, sich neu zu (er)finden und sich neu auszurichten.

Die Leere nach dem Verlust darf neu gefüllt werden. Es geht weiter auf der Lebensreise, mit neuen Zielen, Wünschen und natürlich Träumen! Finde sie!

Lebe dein Leben im Bewusstsein, dass auch du eines Tages sterben wirst. Spätestens dann müssen wir alle uneingeschränkt loslassen können. Geniess dein Leben bewusst, koste es, liebe es! Natürlich hundertprozentig.

Scarlett Krause

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